Überlegungen von Ilse Kleinschuster (Mitglied Club of Rome – Austrian Chapter)

Gerade Fragen rund um Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit haben immer beides – eine private und eine globale Dimension. Nachdem sich auch Österreich den SDGs, den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung, verpflichtet hat, stellen wir die grundsätzliche Frage: Wie steht es um „unsere“ globale Verantwortung und unsere persönlichen Freiheiten?

Österreichs Engagement für die SDGs

In der Tat haben wir in Österreich schon einiges zu den SDGs weitergebracht. So wurde im Sommer 2024 bereits der zweite “Freiwillige Nationale Bericht zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele” in New York präsentiert. Wie man hört: “Eine lobenswerte gesamtstaatliche Zusammenarbeit der österr. Verwaltung und weltweit der einzige Bericht, der eine qualitative und quantitative Messung beinhaltet und diese statistisch untermauert” (SDG Science Summit – New York 2023). Im UN-Ranking schafft es Österreich auf Platz 6. Ein Ergebnis, das nur im internationalen Vergleich betrachtet werden kann, da Österreich z.B. noch immer weit davon entfernt ist, Armut tatsächlich zu beseitigen. Selbst im Jahr 2023 lebten laut Statistik Austria noch immer 3,7 % der österr. Gesamtbevölkerung in Armut.

Außerdem schneidet Österreich im Hinblick auf das UN-‚Spillover-Ranking‘ erneut schlecht ab, insbesondere mit Blick auf SDG12 (Verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster) und SDG13 (Maßnahmen zum Klimaschutz). Dies kann sowohl den hohen CO2-Emissionen zugerechnet werden als auch mit der Inkaufnahme schlechter Arbeitsstandards entlang internationaler Lieferketten, mit der hohen Nachfrage nach Rohstoffen (Anbauproblematik!) sowie der Auslagerung emissionsintensiver Produktionsprozesse begründet werden. Somit stellt sich die Frage, ob im Bereich der österr. Wirtschaft die eigentlichen Herausforderungen, die Ursachen globaler, humanitärer Notlagen, genügend berücksichtigt werden.

Wirtschaftsinteressen vs. Klimaschutz: Ein Balanceakt

Spielt also die so oft beschworene christliche Wertetradition in der wirtschaftspolitischen Praxis überhaupt noch eine Rolle? Im Sinne christlicher Werte ist eine radikale Klimapolitik gefragt, weil nur durch sie das wertvolle Gut der drei Werte der Aufklärung – Freiheit, Gleichheit und Solidarität – dauerhaft beschützt werden kann. Gerade heute ist ja in Europa der Ruf nach Freiheit besonders stark.

Ich nehme hier Bezug auf den Wirtschaftsethiker Bernward Gesang (deutscher Philosoph mit Schwerpunkt Wirtschaftsethik, der an der Universität Mannheim unterrichtet). Er versteht unter einer radikalen Klimapolitik eine Politik, die sich im Rahmen unserer liberalen Demokratien bewegt, aber innerhalb dieses Rahmens klare Priorität auf den Klimaschutz legt.

Dagegen liegen aktuell die Prioritäten bei den Wirtschaftsinteressen, aber das könnten ja sowohl Anreize als auch Verbote ändern. So verständlich die Befürchtungen eines Freiheitsverlustes auch sein mögen, radikale Klimapolitik, die sich auf ordnungspolitische Verbote stützt, muss letztlich als Mittel zur Sicherung der Freiheit verstanden werden. Zukünftige Menschen hätten nur dann die Freiheit, etwa Wälder oder seltene Tierarten kennenzulernen, wenn es diese in Zukunft noch gibt. Radikale Klima- und Umweltpolitik könne Freiheit bewahren, ohne sie gingen Freiheiten verloren, etwa die Freiheit, sich an Küsten niederzulassen oder sich stressfrei und gesund abseits vom Verkehr und Mikroplastik zu bewegen. Verbote sind möglichst zu vermeiden, denn sie erzeugen natürlich Gegenwehr.

Transformation oder Katastrophe: Die Botschaft von Earth4All

Gesangs Thesen decken sich teils mit jenen, die wir auf der Programmseite des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finden. Vonseiten des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) erfährt man viel von Strategien für eine dritte industrielle Revolution, für eine Gesellschaft, die auf dem Fundament der Erneuerbaren Energien (EES) Wachstum und Wohlstand anders generiert und definiert. Eine solche Revolution wäre eine echte Transformation in eine nachhaltige Zukunft, und ja, es geht um viel, und wir müssen unsere Komfortzone verlassen, wollen wir ökologisch resilienter werden. Denn wie uns der globale Bericht Earth4All vermittelt: Entweder wir schaffen heute einen Übergang „by design“ oder morgen droht ein Übergang „by disaster“.

Wir Erdenbewohner befinden uns in einem planetaren Notstand, und die wirtschaftliche Transformation verlangt nach aktiven Regierungen (Earth4All – Key message) – Man müsse daher diese Thesen radikalisieren: Nicht nur die Freiheit, zum Beispiel bestimmte Verhaltensweisen auszuleben, wird durch engagierte Klimapolitik bewahrt, auch die Freiheit als solche – also jede Freiheit – könnte sich dereinst solcher Politik verdanken. Gesang erinnert auch an das alte Sprichwort, dass man Geld nicht essen könne, denn ohne eine halbwegs intakte Umwelt gibt es weder Leben noch Freiheit.

Freiheit in Gefahr: Ein Appell für nachhaltige Entscheidungen

Natürlich darf Freiheit nicht zulasten Dritter gehen, sie darf niemandem schaden, so statuierten die Erfinder des Liberalismus. Allerdings stoßen wir hier auch an Grenzen. Müssen wir nicht befürchten, dass zunehmende Einschränkungen letztlich unsere freie Lebensweise bedrohen? Mit Übertreibungen in diese Richtung wird aktuell Stimmung zugunsten von kurzfristigen Profitinteressen gemacht. Ziel muss sein, dass nicht etwa politische Freiheiten (Meinungs-/Versammlungsfreiheit, Wahlrecht) durch Ordnungsrecht bedroht sind, sondern dass wirtschaftliche Freiheiten (Konsumfreiheit und Freiheit bei der Produktion von Waren) mehr und mehr zur Debatte stehen.

Am Ende müssen wir uns fragen: Wollen wir Freiheit nur für das Hier und Jetzt, oder auch für die kommenden Generationen sichern? Der Klimawandel stellt uns vor die Herausforderung, Verantwortung über unsere persönliche Freiheit hinaus zu übernehmen. Es liegt an uns, mit der Wahl die Weichen für eine Zukunft zu stellen, in der Freiheit und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen. Durch mutige Entscheidungen und das Verlassen unserer Komfortzone können wir eine Welt gestalten, in der Freiheit nicht nur ein Privileg der Gegenwart ist, sondern auch für kommende Generationen erhalten bleibt. Der Schlüssel dazu liegt in einer radikalen, aber notwendigen Transformation unserer wirtschaftlichen und politischen Systeme – eine Transformation, die uns nicht Freiheit nimmt, sondern sie für die Zukunft sichert. Lasst uns die Weichen jetzt stellen – für eine Welt, in der Freiheit und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sind, sondern gemeinsam eine gerechte Zukunft für alle sichern.

Ganz im Sinne von Earth4All (siehe Earth4All Austria und Wellbeing Economy).