16. Mai 2022, von Dr. Friedrich Hinterberger (Vizepräsident des Club of Rome – Austrian Chapter)
„Give Peace a Chance – give our world a Future” forderte das Austrian Chapter des Club of Rome am 2.5.2022 mit seiner Veranstaltung anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Erscheinens des ersten Berichts an den Club of Rome über die „Grenzen des Wachstums“. Sie kann nun in voller Länge als Video (nach-) gesehen werden. Link zur Youtube-Playlist.
Hier daher nur einige Statements, die uns in Erinnerung geblieben sind und die wir nochmal teilen wollen.
Energiesparen ist jetzt ein „absolutes Must“ sagte Hannes Swoboda in seinem Eröffnungsstatement. Aber immer noch stocke die Umsetzung. Es sei traurig, dass es eines Krieges bedarf, uns daran zu erinnern. Jetzt stellen sich in Österreich und global entscheidende Verteilungsfragen: 1% höhere Lebensmittelpreise treiben 10 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze. Hier geht es zu seiner Rede in Text- oder Videoform.
Dennis Meadows, Hauptautor des 1972er Berichts, erinnerte in seinem Video-Statement nicht nur an die Zeit vor 50 Jahren („it seemed so obvious to us“), sondern auch an seinen Vortrag an gleicher Stelle vor 14 Jahren und forderte, das zu tun, was der Club of Rome immer schon getan hat: in die Zukunft blicken. Sein Rat an das Austrian Chapter, damals wie heute: „create an invisible college – there are no limits to learning“. Wir brauchen positive Bilder, um die gegenwärtigen Krisen angemessen zu bewältigen.
Dem pflichtete auch Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ehrenpräsident des internationalen Clubs bei: „Mit dem Energiesystem der letzten 50 Jahre ist der Wohlstand nicht zu sichern. Es ginge dabei um eine Balance zwischen Natur und Wirtschaft, Staat und Markt, öffentlichen und privaten Gütern, Staat und Religion, Gerechtigkeit und Leistungsanreiz, Innovation und Bewährtem.“
Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO), bekräftigt dies nochmal: „Aufgrund der bilateralen Ausrichtung kreieren wir viel zu viele Externalitäten und verlassen uns zu sehr auf die anderen. Die werden das schon machen. Man soll nicht nur eine Illusion der Zusammenarbeit schaffen, sondern sie tatsächlich verfolgen. Wir müssen uns von „decline“ trennen und klarer kommunizieren, dass es um „balance“ geht – und diese nicht automatisch Verzicht bedeutet. Stichwort Energieeffizienz und Ressourceneinsatz.“ „Wie nehmen wir die Menschen mit?“, fragte Angela Köppl, Vizepräsidentin des Club of Rome – Austrian Chapter. Diese Frage sei nicht nur in Österreich relevant, sondern auch global: wir müssen etwa Indien mitnehmen.
Dem schloss sich in der Diskussion auch Ernst Ulrich von Weizsäcker an und präsentierte dafür seinen Budget-Ansatz, den er gemeinsam mit Anders Wijkman und 30 anderen Mitgliedern bereits 2018 in seinem Buch „Wir sind dran“ beschrieben hatte. Es brauche einen Transfer von Kaufkraft vom globalen Norden in den globalen Süden. Es sei wahnsinnig wichtig, dass die Ökonomie die richtigen Signale sendet. Preise müssten die ökologische Wahrheit widerspiegeln. Davon war Weizsäcker schon vor 30 Jahren am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie überzeugt: „Dafür müssen wir heute aber auch spezifisch denken.“ In der Natur gäbe es auch Abfälle, sonst gäbe es keine Sedimente. „Wir müssen es nicht dogmatisch angehen. Aber es ist skandalös, dass wir wertvolle Ressourcen, wie etwa Metalle, so wenig recyceln. Dafür müssen wir Primärmaterialien verteuern!“, so Weizsäcker.
Für die Herstellung einer solchen Balance brauche es vor allem Kooperation, meint dazu Gertrude Suschko, Vorstandsmitglied im Austrian Chapter, bei der Vorstellung der „Implementation Roadmap“ des Austrian Chapters. Die Mission sei es: „Akteur:innen, die bislang nicht an einem Strang ziehen, zusammen zu bringen um das umsetzen zu können, was Wissenschaft und Zivilgesellschaft seit langem fordern.“
„Bis 2030 brauchen wir einen massiven Push in Richtung erneuerbare Energien“, meint auch Christiane Brunner, Cooparate Affairs beim Verbund und Vorstand bei CEOs for Future. „Wir wissen, dass wir Akutmaßnahmen brauchen, die uns vermutlich nicht alle gefallen werden. Aber mittel- und langfristig ermöglicht uns nur die Energiewende, dass wir auf unserem Planeten leben und wirtschaften können. Wir müssen mehr als einen Zahn zulegen.“
Ohne eine ambitionierte Kreislaufwirtschaft wird das nicht gehen, wie wir schon bei unserer Veranstaltung am 28.2. (Mind the gap – wo ist die Lücke im Kreislauf) gesehen haben. „Die Kreislaufwirtschaftsstrategie muss die Trendwende hinsichtlich Zirkularität schaffen“, sagt Thomas Jakl, der diesen Bereich im BMK (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) verantwortet. „Der Kernpunkt der Strategie ist, dass die Ressourceneffizienz zu einem ökonomisch motivierten Anliegen werden soll. Wir brauchen Geschäftsmodelle, bei denen sich effizienter Ressourceneinsatz lohnt“, so Jakl.
„Der Klimawandel biete für den Finanzsektor Risiken und Chancen“, ergänzt Andreas Breitenfellner von der Oesterreichischen Nationalbank. Die hohen Investitionssummen, die für eine Abwendung der Klimakrise notwendig sind, schafft die öffentliche Hand nicht alleine. „Der private Finanzsektor muss hier eine wichtige Rolle erfüllen und dafür muss man Anreize schaffen. Die Idee der EU Taxonomie sei bei aller Kritik da, damit Greenwashing im Finanzsektor erschwert wird.“
„Disruptive Innovation kann man nicht planen. Es ist ein großes Puzzle und alles zählt. Wir müssen uns alle Bereiche ansehen. Jede Innovation zählt“, sagte Henriette Spyra, Leiterin der Sektion III „Innovation und Technologie“ im BMK. „Bis 2030 müssen wir aber nicht nur disruptive Innovationen haben, sondern viele davon tatsächlich umsetzen.“ Und: „Radikale Kollaboration sei eigentlich der Kern von dem was wir und wo wir hinwollen.“ Letztendlich komme es drauf an, wie wir hinkommen. Dabei gehe es auch um unsere Werte, wie wir diese Transformation hinbekommen.
Ein Beispiel nennt auch Silvia Angelo, Vorständin bei der ÖBB Infrastruktur und Vorstandsmitglied im Austrian Chapter des Club of Rome: „Die Emissionen haben sich im Personenverkehr erhöht, obwohl (oder gerade weil) der öffentliche Verkehr stark ausgebaut wurde. Dabei sind weit weniger Personen tatsächlich auf den Pendelverkehr angewiesen, als von der Politik oftmals vermutet. Eine Verlagerung funktioniere mit passender Infrastruktur.“ – wieder ein Beispiel, wie individuelle Präferenzen und politische Prozesse zusammenspielen. Aber es braucht auch entsprechende Informationen.
Martin Strele (Ein guter Tag hat 100 Punkte) arbeitet daran den Konsument:innen ein Tool in die Hand zu geben, mit dem sie einschätzen können, wie viel CO2 sie tatsächlich verbrauchen. „So können sie selber schauen, wo die großen Hebel sind und wo sie daher ansetzen können. Darauf aufbauend können sie auch politische Forderungen auf regionaler Ebene stellen. Die Konsument:innen sehen dann schnell: oftmals braucht es andere Infrastrukturen und politische Rahmenbedingungen. Wir müssen eine kritische Masse etablieren, die politische Rahmenbedingungen für die radikale Transformation einfordert“, so Strele.
Information ist auch das Thema von Alexandra Wegscheider-Pichler, die bei Statistik Austria im Bereich Analyse und Prognose für Nachhaltigkeitsindikatoren zuständig ist – vom Material- und Energieverbrauch über Bodenverbrauch und Biodiversität bis hin zur Lebenszufriedenheit. Boden wurde lange vernachlässigt („der ist ja eh da“), ist aber sehr wesentlich: „Wir können Boden nicht importieren und versiegelter Boden kann auch kein CO2 aufnehmen“. Die Politik müsse Ziele festlegen und dann mit geeigneten Indikatoren in Gesetze und Verordnungen gießen.
Im letzten Panel wurde es grundsätzlich. „Wie kann man die Stärke des Rechts gegen das Recht des Stärkeren durchsetzen?“, fragte der Historiker Mathias Schüz. „Kreislaufwirtschaft braucht Kooperation, sonst bleibt es ein Schlagwort“, meinte dazu auch Christoph Scharff, Vorstandsvorsitzender der ARA.
„Wie kommen wir zur Umsetzung?“, fragte zum Abschluss Magdalena Frauenberger, die bei Fridays for Future aktiv ist. „Wir müssen die Bremser:innen benennen, konkrete Forderungen an die Politik stellen und es wird nicht immer bequem werden. Wir müssen aus unserer Komfortzone raus, uns für politische Rahmenbedingungen aussprechen und klar einfordern.“ Bei manchen Forderungen frage sie sich, warum sie als radikal angesehen werden, „wo es doch um Existenzen geht.“