Um Milliarden Menschen in Staaten des Globalen Südens aus der Armut zu heben, braucht es eine Transformation der internationalen Finanzarchitektur und der weltweiten Handelsabkommen. Soll Österreich sich dazu positionieren, wird man an systemischen Lösungen arbeiten müssen. Die Ursachen für eine Verschuldung in einkommensschwachen Ländern sind sehr unterschiedlich, die Lösungsvorschläge von Expertinnen und Experten umso diverser. Über dieses Thema diskutierte eine hochrangige Expert*innenrunde am 🔗2. April im Reitersaal der Oesterreichischen Kontrollbank AG (OeKB) in Wien.
BEGRÜSSUNG DURCH PRÄSIDENT HANNES SWOBODA
Hannes Swoboda, Präsident des Club of Rome – Austrian Chapter begrüßte die Teilnehmenden vor Ort in Wien und zuhause vor den Bildschirmen. Das Thema der Armut müsse global mit den richtigen Maßnahmen angegangen werden: Und dafür müsse die Wirtschaft der Ärmsten wachsen. Dafür braucht es aber die richtigen, klimaschonenden und sozial verträglichen Hebel. Eines davon ist die Energie: Weltweit liegen 60% der weltweiten Kapazitäten für Solarenergie am afrikanischen Kontinent. Nur ein Prozent dieser Potentiale wird aber tatsächlich genutzt. Erst in der Kooperation zwischen Ländern des globalen Nordens und Südens könnte die Erneuerbare Energie ausgebaut werden und so die Armut bekämpft werden. Um den ärmsten Nationen unter die Arme zu greifen, plädiert Swoboda einerseits für Schuldnachlässe, verweist aber auch auf die nationalen politischen Probleme in vielen Ländern des globalen Südens.
KEYNOTE VON VIZEPRÄSIDENTIN SABINE GABER
Sabine Gaber, Vizepräsidentin des Club of Rome – Austrian Chapter und Vorständin der Oesterreichischen Entwicklungsbank AG (OeEB) verwies in ihrer Key Note auf den ersten Bericht des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“ aus dem Jahr 1972, in dem auf Basis von computersimulierten Szenarien die kritischen Themenstellungen der heutigen Zeit prognostiziert wurden, „die genau heute so eingetreten sind“, so Gaber, und dringend im nächsten Jahrzehnt zur Lösung anstehen.
Gaber führte weiter aus, dass es aufgrund der hohen Komplexität der globalen Krisen und Problemstellungen, die eng miteinander vernetzt sind, wichtig sei, diese strukturiert und in Zusammenschau zu lösen. Dabei helfe der neu an den Club of Rome erstellte Earth4All Report, der im Wege von rechnerischen, systemdynamischen Szenarien – wie unter anderem dem „Giant Leap“ Szenario – zeigt, welche konkreten Hebel auch in Bezug auf die globale Armutskehrtwende umgesetzt werden müssen, damit eine umfassende, rasche und effektive Änderung der aktuellen globalen Armutssituation erzielt werden kann. Dies ist nicht nur für die betroffenen einkommensschwachen Länder wichtig, sondern für alle Länder weltweit, angesichts der zunehmenden sozialen Spannungen, Kriege, gestiegenen Naturkatastrophen, wachsender Instabilität aufgrund von Ungleichheit, wachsenden Emigration. Die im Earth4All Bericht beschriebenen 5 Kehrtwenden stellen „keinen Riesensprung“ dar, so Gaber, sondern sind realistisch umsetzbar, dies erfordere aber das konkrete Tun auf nationaler Ebene und global.
„Weltweit lebt die Hälfte der Weltbevölkerung in Armut (weniger als 5,5 Dollar am Tag)“, dabei haben die COVID-Pandemie, der russische Angriffskrieg und die geopolitischen Verwerfungen den Welthandel massiv verändert mit der Folge von gestiegenen Lebenshaltungskosten, wodurch arme Länder unverhältnismäßig hart getroffen wurden. Diese einkommensschwachen Länder, die ohnedies bereits eine hohe Schuldenlast zu tragen haben, werden durch die weltweit gestiegenen Zinssätze auf Schulden noch zusätzlich weiter belastet. Viele Länder des globalen Südens haben bei der COP28 aufgezeigt, dass die Schuldenkrise sie daran hindert die doppelte Herausforderung von Klimawandel und Armut zu bewältigen. Sie haben Schwierigkeiten, leistbare Finanzierungen für klimarelevante Investitionen, für Maßnahmen gegen den Biodiversitätsverlust, für die Implementierung von Umwelt- und Sozialaktionsplänen zu erhalten. Die Kreditwürdigkeit dieser Länder ist aus ökonomischer Sicht lt. internationaler Rating-Agenturen bereits schlecht. Hinzu kommt ein erhöhtes Risiko von „stranded assets“ durch Naturkatastrophen als Folge des Klimawandels. “Die ökonomische Schuldenkrise vieler Länder ist mit der Klimakrise bzw. ökologischen Krise eng verflochten,” betont Gaber. Die Bewältigung der globalen Verschuldungskrise ist sehr dringlich, es braucht ein globales Entschuldungssystem, das alle öffentlichen und privaten Gläubiger gleichermaßen und fair berücksichtigt in Bezug auf Schuldenerlass, Schuldenumstrukturierung, Schuldentragfähigkeit und es ist erforderlich das Entschuldungssystem mit ökologisch, sozialen und klimabezogenen Transformationsprozessen zu verknüpfen.
Die Steuereinnahmen stellen dabei eine wichtige Quelle dar und Steuerreformen sind unabdingbar. Dafür ist u.a. der Aufbau von effizienten Steuerverwaltungssystemen und Transparenz von großer Wichtigkeit, denn aktuell verliert Afrika verliert jährlich 50 – 80 Mrd. Dollar durch illegale Finanzströme.
Lt. Schätzungen der Weltbank/IWF 2023 werden die Gesamtausgaben für Entwicklungsländer zur Bewältigung von Klimawandel, Pandemien und Konflikten für den Zeitraum 2023 – 2030 bei mind. rd. 2,4 Billionen USD jährlich liegen. Damit diese Summen gestemmt werden können, muss das System der Entwicklungsfinanzierung reformiert werden. Es besteht lt. Gaber ein dringlicher Reformbedarf von multilateralen Entwicklungsbanken, Internationaler Finanzinstitutionen, wie u.a. der Weltbank, dass das Mandat der Armutsbekämpfung auf die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter, insbesondere um den Klimawandel, ausgeweitet wird. Dazu sind aber enorme Kapitalerhöhungen durch ihre Anteilseigern:innen dringend erforderlich.
Insgesamt müssen Risikozugang, Risikotragfähigkeit neu gedacht werden, Sonderziehungsrechte des IWF evaluiert werden, die gesamte Finanzarchitektur muss an die realen ökologischen, sozialen und ökonomischen Erfordernisse angepasst werden und nicht umgekehrt, es braucht einen Paradigmenwechsel mit umfassenden Reformen für eine harmonisierte, neue globale Finanzarchitektur, die einen kohärenten politischen Rahmen erfordert.
Dabei ist die bessere Einbindung des privaten Sektors zur Mobilisierung von privaten Eigenkapital zu Finanzierung der enormen Finanzierungslücke von großer Bedeutung. Ebenso sind öffentliche Beitragsleistungen für die Entwicklungs- und Klimafinanzierung von Gebern zu erhöhen und wie auch der Report Earth4All analog Weltbank ausführt, sollen einkommensschwache Länder jedenfalls wachsen. Die Notwendigkeit für ein Wirtschaftswachstum, das die Einkommen der Ärmsten seigert, könnte nicht größer sein als jetzt, aber ermöglicht werden soll ein faires und umweltverträgliches Wachstum, das nicht nur auf ökonomische, sondern auch auf ökologische und soziale Werte gleichermaßen abstellt. In den Ländern, in denen das ökonomische Wachstum bereits Reife erreicht hat, braucht es aber neue Modelle.
Ebenso müssen die globalen Handelsabkommen umgestaltet werden, dabei muss eine Transformation auch die Überprüfung von CO2 Emissionen in internationalen Handelsabkommen zum Ziel haben, CO2 Emissionen müssen dort verbucht werden, wo die Produkte konsumiert werden. Weitere Maßnahmen zum Schutz einkommensschwacher Länder sind zu unterstützen, insbes. die Förderung des grünen Technologieaustausches ua. durch Verzicht auf Rechte des geistigen Eigentums für patentierte Technologien, so Gaber.
🔗Hier geht es zum Teil 2 des Nachberichts über die 2 Podiumsdiskussionen.
Alle Informationen zur Armutskehrtwende finden Sie 🔗hier.