15. April 2022, von Pia Minixhofer und Martin Hoffmann
Die Veranstaltung „Mind the gap oder Wo ist die Lücke im Kreislauf“ widmete sich der Frage, wie man Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz gemeinsam denken und umsetzen kann und damit auch die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 erreicht.
Aufbauend auf die Keynote von Matthew Fraser, zeigt sich, dass die Frage der „metrics“ ganz wichtig ist, damit die Länder danach handeln und sie messen können. Denn die Ressourcenknappheit wird das Thema der nächsten Jahren werden. Wie können wir also aus unserer Blase in eine breitenwirksame Umsetzung kommen?
Die Panel Discussion
Im Folgenden haben wir essentielle Aussagen der Panelists zusammengefasst. Aufgrund der angeregten und ausführlichen Diskussion werden nicht alle Aspekte aufgegriffen und hier zusammengeschrieben. Um die vollständigen Antworten der Panelists und die gesamte Diskussion anhören zu können, möchten wir noch einmal auf die Aufzeichnung der Veranstaltung hinweisen: Youtube
Panel
• Karin Huber-Heim (Circular Economy Forum Austria)
• Willi Haas (BOKU)
• Marcel Krejc (Matwash)
• Rainer Schultheis (SAPHENUS)
• Karl Kienzl (BMK)
Moderation: Harald Friedl (Circular Economy Accelerator Austria)
Willi Haas (BOKU)
Die Zirkularität ist seit 1900 zurück gegangen. Es werden mehr und mehr Ressourcen besser genutzt, aber noch mehr Ressourcen werden neu abgebaut. Wir hatten früher lange Zeit eine Welt der Knappheit. Jetzt haben wir mit der Fossilenergie Wohlstand für alle erreicht und nun möchte jeder Kaiser sein.
Es gibt eine Blase, in der wir finden, dass es eine gute Idee ist neue Governance-Strukturen aufzubauen. Und es gibt einen Mainstream, der in Silos denkt. Jeder denkt in seinem Silo an seine eigene Krise und die werden nicht miteinander verbunden. Es gibt nicht nur die Klimakrise. Wenn wir alle Krisen gleichzeitig sehen, braucht es einen großen Umbau. Aber vielleicht kann der Umbau mehrere Krisen gleichzeitig adressieren. Vielleicht können wir so andere Formen der Kooperation schaffen, die als resilienter angesehen werden und damit auch den Ressourcenverbrauch senken.
In der Politik mag man der Gesellschaft nichts drein reden, weil von denen wird man ja gewählt. Der Wirtschaft mag man nichts vorschreiben, denn von denen ist man ja auch bis zu einem gewissen Grad abhängig. Daher stützt dieses Dreieck unseren ständig wachsenden Ressourcenverbrauch. Da gilt es jetzt, um aus der Blase raus zu kommen, entry points zu finden. Wie findet man hier einen Punkt, dass ein Politiker gern gewählt wird, von der Wirtschaft nicht geknüppelt wird, die Wirtschaft niemanden knüppeln braucht und für uns ein klimafreundliches Leben so unwiderstehlich ist, dass wir gar nichts anderes haben wollen?
Unsere Ökonomie ist nicht gottgegeben, sie ist konstruiert. Und sie ist konstruiert seit den 50er Jahren, auf das hin, dass wir immer mehr konsumieren. Die Umorientierung dieser Anreize ist ganz wichtig. Wir müssen alle hergehen und sagen, umweltschädliche Produkte wollen wir nicht haben. Es wäre doch eine Idee, dass Unternehmen bankrott werden, nicht nur, wenn sie zahlungsunfähig sind, sondern, weil sie bei Umwelt-, Kreislauf- oder sozialen Fragen versagen; dass ein Unternehmen zugesperrt wird, obwohl es Gewinne macht, weil es sozial unverantwortlich handelt.
Karl Kienzl (BMK)
Die Blase müssen viele Einzelne an ganz vielen Stellen öffnen. Die Gesellschaft muss tatsächlich ihr Verhalten ändern, die Politik muss die Rahmenbedingungen vorgeben und dann gibt es den ganz wichtigen Bereich der Unternehmen, die einige Schritte weiterdenken müssen, branchenübergreifend.
Mit dem Widerspruch der SDGs hinsichtlich des „nachhaltigen Wachstums“ müssen wir umgehen. Wir sind alle immer und überall gefragt, ob daheim mit dem privaten Konsum oder an unserem Arbeitsplatz und dem Einstehen für unsere Überzeugungen.
Die Kennzeichnung der Produkte ist ganz wichtig, aber wir können einfach nicht alle Produkte weltweit einheitlich berechnen. Dafür ist das Lieferkettengesetz ein guter Ansatz. Mit einem Lieferkettengesetz und einem EU-weiten Monitoring würden wir schon viel bewirken können.
Es braucht eine Zukunftsregierung. Ein Regierungsprogramm ist ein Aushandeln der Möglichkeiten. Je mehr Ministerien dabei involviert sind, desto breiter aufgestellt sind die zu implementierenden Maßnahmen. Wir versuchen für die österreichische Kreislaufstrategie viele Ministerien zusammen zu bringen, aufbauend auf Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft, damit die gesamte Regierung dahinter steht.
Karin Huber-Heim (Circular Economy Forum Austria)
So wie wir nach dem zweiten Weltkrieg Konsum gelehrt bekommen haben, müssen wir jetzt wieder lernen zirkulär zu denken. Der Konsum ist menschengemacht, das lineare Wirtschaftssystem ist von uns gebaut und kann daher auch wieder umgebaut werden. Die Frage ist nur, schaffen wir es ein System durch Bruch zu erneuern oder durch Transformation. Das Bild dazu ist ein Passagierflugzeug, dass während dem Flug den Motor ausgetauscht bekommt. Die Kreislaufwirtschaft ist der eine Hebel, den wir haben, um es konzeptionell möglich zu machen, dass wir diesen Umbau ohne Bruch schaffen.
Es ist derzeit nichts hergerichtet für nachhaltiges, zirkuläres Geschäftemachen. Dagegen zu arbeiten mit den Mittel die wir haben, ist ein bisschen so, als würde wir Studierenden oder jungen Geschäftsleuten Hammer und Nagel in die Hand geben und sie sollen ein Raumschiff bauen. Sie müssen sich alles selbst erarbeiten und gegen den Strom schwimmen, gegen Förderausschreibungen, gegen Investoren mit Kurzzeitgewinnfokus. Das ist wirkliche Pionierarbeit. Das sollte man ändern. Wir sollten die Studierenden in die Welt hinausschicken mit Tools, damit sie die Zukunft auch wirklich bauen können, in der sie leben sollen.
Was dem zugrunde liegt, ist die Diskrepanz zwischen Sozial- und Naturwissenschaften. Wir müssen die qualitativen und quantitativen Untersuchungen zusammenführen, die Studierenden interdisziplinär ausbilden. Um Zukunftsthemen adressierbar zu machen, muss man Dinge zusammenhängend denken und das machen wir alle zu wenig.
Die Bildung muss involviert werden, denn wir haben schon seit zwei Generationen verlernt zirkulär zu denken. Es wird all die Kreativität brauchen, die wir habhaft werden können.
Rainer Schultheis (Saphenus Medical Technology)
Bei uns im Bereich der Medizintechnik sind die Wohlstandsindikatoren mindestens genauso wichtig, wie die Fragen der ökologischen Nachhaltigkeitsmetriken. Diese müssen miteinander verschränkt und entwickelt werden. Wenn wir systemisch denken und in allen Ländern der Welt mit unseren Prothesen den Phantomschmerz reduzieren wollen, kommt man sehr schnell auf die SDGs und an die Grenzen der Messbarkeit dieser Nachhaltigkeitsindikatoren. Wir müssen die Fragestellungen systemisch neu denken und nicht blindlings mit gesetzten Denkmuster in neue Länder gehen, sondern die Ressourcen vor Ort nutzen. Bei disruptiven Technologien, wie unseren, braucht es das Bewusstsein, auch von der Fördergeberseite, um aktiv an die Unternehmen heranzutreten und Nachhaltigkeit einzufordern.
Marcel Krejc (Matwash)
Das lineare Verhalten wird beim Kauf der Matratze kultiviert: Qualität ist eher nebensächlich, der Produktionsort ebenso, Hauptsache günstig und nach dem Verbrauch wird sie einfach weggeschmissen. Wir waschen Matratzen einerseits wegen der Hygiene und andererseits für die optimale Ressourcennutzung, da so die Lebensdauer verlängert wird. Es braucht strukturelle Änderungen, damit das auch in anderen Bereichen etabliert wird. Auch Konsument:innen müssen wir dazu erziehen, dass sie Produkte so lange wie möglich im Kreislauf halten.
Der heutige Fokus sind Energienutzung und Energieherkunft, aber wir wissen, dass knapp die Hälfte der THG wegen der Herstellung von Produkten entsteht. Wir schmeißen zu viel weg, was dann nur mehr thermisch verwertet wird. Diese festgefahrenen Strukturen müssen wir analysieren und aufbrechen, einheitliche Regelungen schaffen und die Politik fordern.
Kreislaufwirtschaft ist eine Chance für junge Unternehmen. Die ganzen neuen Ideen schaffen auch wieder neue Arbeitsplätze, sowohl niederschwellige, als auch hochtechnologische Jobs. Man sollte die Kreislaufwirtschaft wirklich als Chance für alle sehen.
Harald Friedl beschließt die angeregte Diskussion mit den Worten:
„Ich hoffe, ihr fühlt euch alle ermächtigt etwas zu tun.“
Harald Friedl, Circular Economy Accelerator Austria
Nach der angeregten Diskussion können wir dem nur zustimmen.
„Hier hat man heute gesehen, dass alle gemein haben, es gemeinsam schaffen zu wollen und das ist auch unser Ziel. Unterschiedliche Akteur:innen zusammenzubringen, von den Bläschen in die Blase, das ist auch unser Ziel.“
Fritz Hinterberger, Club of Rome Austrian Chapter
Alle Bilder der Veranstaltung finden sich hier:
https://www.clubofrome.at/event-28feb2022-mind-the-gap/bildergalerie-diskussion/