Der letzte Bericht an den Club of Rome „Erde für Alle“ (Earth4All) präsentiert – für manche sicherlich überraschend – auch die Notwendigkeit, die Ungleichheit abzubauen.
von Hannes Swoboda (16.2.2024)
Der letzte Bericht an den Club of Rome „Erde für Alle“ (Earth4All) präsentiert – für manche sicherlich überraschend – auch die Notwendigkeit, die Ungleichheit abzubauen. Im Kapitel „Die Ungleichheitswende: Dividenden teilen“ geht es dabei um den Abbau der Ungleichheit innerhalb der Gesellschaften – also auf nationaler Ebene. Es geht um den Nutzen der Vielen im Gegensatz zum Nutzen der Wenigen. Das ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch der Effizienz. „Länder mit stärker ausgeprägter Gleichheit erzielen bessere Resultate“ zum Beispiel im Bereich der Bildung, bezüglich der sozialen Mobilität, der Lebenserwartung, der Gesundheit, der Bekämpfung der Kindersterblichkeit etc. Nun trifft das nicht immer für alle Länder und alle Bereiche zu, aber es gibt viele Belege, dass dies im Generellen stimmt.
Klimapolitische Ungleichheit
Aber es bleibt jedenfalls das ethische Argument der Gerechtigkeit. Und aus vielen Studien wissen wir, dass der klimapolitische Fußabdruck der Reicheren wesentlich höher liegt als der der Ärmeren. So ist in Österreich davon auszugehen, dass die reichsten 10 Prozent mehr Treibhausgase verursachen als 50 Prozent der Bevölkerung.
Hinzu kommt, dass viele Belastungen, die über die Verteuerung der klimaschädlichen Produkte und Leistungen erfolgen, die ärmeren Schichten stärker treffen als die reicheren. Das betrifft die CO2-Besteuerung, das würde die Anhebung der Preise von Lebensmittel betreffen, um gerechte Einkommen für die Bauern zu schaffen und um die klimapolitische Umstrukturierung der Landwirtschaft zu ermöglichen. Das betrifft aber auch den Umbau der Heizungssysteme, der oft mit hohen Kosten verbunden ist.
Der stärkere ökologische Fußabdruck der Reichen einerseits und die stärkere finanzielle Belastung der klimapolitischen Maßnahmen der Ärmeren anderseits muss ein Ansporn sein für mehr Gleichheit und damit Gerechtigkeit zu sorgen.
Die Situation in Österreich
Was Österreich betrifft, so ist es ein sehr reiches Land aber die Verteilung der Einkommen und vor allem der Vermögen ist sehr ungleich – und im obigen Sinn ungerecht. Leider sind die Statistiken dazu oft sehr ungenau und uneinheitlich. Aber das generelle Bild ist klar: 1% der Menschen gehört knapp die Hälfte des gesamten österreichischen Nettovermögens. Eine andere Zahl macht deutlich: die obersten 10 Prozent erhalten 30 Prozent des Gesamteinkommens bzw. sie halten 60% des Vermögens.
Österreich liegt, was die Einkommens- und Vermögensungleichheit betrifft, im europäischen Spitzenfeld. Hinzu kommt, dass die vermögensbezogenen Steuern in Österreich schon lange zurückgehen. Besonders krass betrifft das das Vererben. Dieses „leistungsfreie Einkommen durch Erbschaft“ kommt vor allem wieder den höheren Einkommensbeziehern zugute. Im Vergleich zu den meisten europäischen Staaten ist die Vermögensbesteuerung – inklusive Erbschaftssteuer – in Österreich extrem schwach ausgeprägt. Das trifft auch den Vergleich mit unseren beiden Nachbarländern Schweiz und Deutschland.
Öffentliche Leistungen
Auch die, an und für sich, progressive Besteuerung des Einkommens ist durch viele Schlupflöcher im Endeffekt nicht sehr umverteilend. Hinzu kommen noch regressive Verbrauchssteuern. Das, was zu einer gerechteren Verteilung beiträgt, sind vor allem öffentliche Geld- und Sachleistungen. Denken wir an die Familienförderung, an die Gesundheitsversorgung, den sozialen Wohnbau, an die Kindergärten und öffentlichen Schulen etc.
Die Finanzierung dieser Leistungen hängt natürlich auch vom Ausmaß des Steueraufkommens ab. Wenn jetzt in Österreich mit Stolz auf die Abschaffung der kalten Progression verwiesen wird, so kann man sicher gute Argumente für diese Maßnahme finden, aber man müsste sich gleichzeitig überlegen, wie man zu den Einnahmen kommt, die für die klimapolitischen Aufgaben und für mehr Gleichheit/Gerechtigkeit notwendig sind. So müssten wir massiv den öffentlichen – vor allem schienenbezogenen – Verkehr ausbauen und den Umbau der Heizungsanlagen forcieren. Es braucht überdies einen energiesparenden Wohnungsbau und verstärkte finanzielle Anreize für die Erhaltung und Sanierung zur Ressourcenschonung.
Es wäre also auch für Österreich wichtig beides im Auge zu haben und miteinander zu verknüpfen: mehr Gleichheit der Einkommen und Vermögen – jedenfalls nach Steuern und Abgaben sowie unter Berücksichtigung der öffentlichen Leistungen – und eine gesunde finanzielle Basis für die gesellschaftliche Transformation zur Erreichung der Klimaziele. Diese Finanzierung darf jedenfalls nicht zu Lasten der ohnedies finanziell schwächeren Gruppierungen kommen.
Man darf aber über die finanzielle Ungleichheit nicht die, damit oft im Zusammenhang stehenden, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Ungleichheiten übersehen. Menschen mit geringeren Einkommen sind öfter gesellschaftlich isoliert, sind öfter krank und nehmen in geringerem Ausmaß an Kultur- und Bildungseinrichtungen teil. Gerade was letzteres betrifft, so kann man eindeutig die Vererbung guter oder je nachdem geringerer Bildung feststellen. Aber eine gute Bildung ist auch für das Verständnis der klimapolitischen Veränderungen notwendig.
Es muss also zu einer umfassenden Ungleichheitskehrtwende kommen, die sowohl durch eine gerechtere Besteuerung aber auch durch den Ausbau von finanziellen und Sachleistungen seitens des Staates herbeigeführt werden muss. Genau durch diese Transferleistungen erhöht sich in Österreich der „Einkommensanteil“ des unteren Drittels von 12% auf 22% während der Anteil des oberen Drittels von 59% auf 48% sinkt. Das sind zwar noch keine radialen Veränderungen, zeigt aber wohin die klimapolitische und soziale Reise gehen muss.
Eine Grunddividende
Der Bericht Earth4All präsentiert aber auch die Idee einer Grunddividende oder eines Bürgerfonds. All jene Unternehmen (oder auch Bürger:innen), die zu ihrem Vorteil gemeinsame Ressourcen wie fossile Brennstoffe, Land oder Daten benützen, sollten die Allgemeinheit „entschädigen“. So heißt es im oben genannten Bericht: „Demnach müssen Unternehmen, die beispielsweise CO2-Emissionen erzeugen, zur Entwaldung beitragen, öffentliche Daten nutzen oder zu Land oder im Meer Ressourcen extrahieren, für die Verwertung dieses öffentlichen Gemeinguts eine Abgabe zahlen. Die Regierungen würden diese Einkünfte dann gerecht an alle Bürgerinnen und Bürger verteilen.“
Mir persönlich scheint das eine leichter zu argumentierende Variante eines „Basiseinkommens“ zu sein als das „bedingungslose Grundeinkommen“. Der Vorschlag verknüpft eine verteilungspolitische Absicht mit einer Gewinnabschöpfung bei jenen, die sich an den Ressourcen der Allgemeinheit bereichern. Natürlich sind dabei noch viele Fragen zu klären, insbesondere im Falle der Ausnützung globaler Ressourcen wie der Weltmeere etc. Aber der Grundgedanke, der irgendwie auch in die Vorschläge zur Kompensation von Schäden, verursacht durch die reichen Länder, eingegangen ist, sollte sicher weiterverfolgt werden.
Ein Zwillingspaar der Politik
Es darf kein Zweifel bestehen, dass die Umverteilung – auch in geringerem Maße – Widerstand hervorruft. Aber anderseits gibt es ohne mehr Gerechtigkeit auch wachsenden Widerstand – durch die sozial schwächeren Schichten. Wie immer, der Bericht stellt zu Recht fest: „Lösungen müssen für die Mehrheit akzeptabel sein, wenn sie nicht eklatant scheitern sollen.“ Schon deshalb muss bei der Umverteilung auf die soziale Situation des Mittelstandes Bedacht genommen werden. Nicht alle öffentlichen Leistungen sollten streng auf die untersten Einkommen gezielt werden.
Das wird eine der größten Aufgabe in den nächsten Jahren sein: Für die Kombination von Klimapolitik und mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Es muss alles unternommen werden, um es nicht zu einem grundlegenden Konflikt zwischen Klimapolitik und sozialer Gerechtigkeit kommen zu lassen. Im Gegenteil, die beiden müssen als Zwillingspaar die Politik beherrschen. Jede klimapolitische Maßnahme sollte auf die sozialen Auswirkungen und jede Steuer und öffentliche Förderung und Leistung sollte auf die Auswirkungen aufs Klima überprüft werden.