Um die im Bericht Earth4All besprochenen Kehrtwenden zu erreichen, braucht es ein grundlegendes Upgrade der Wirtschaft, die im Wesentlichen der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienen muss und Profitinteressen in den Dienst dieser Ziele stellt.
Wirtschaft als Schwungrad für mehr Lebensqualität
Ökonomisch betrachtet blicken wir vereinfacht gesagt auf ein System von Angebot und Nachfrage. Das Angebot an Gütern und Dienstleistungen beruht im weitesten Sinn auf menschlicher Arbeit und Ressourcen aus der Natur, das durch „die Wirtschaft“ vermittelt wird (Extraktion, Produktion, verschiedene Logistik-Schritte wie Lagerung und Transport, Handel bis hin zu Recycling und schlussendlicher Entsorgung von Abfällen). Damit Wirtschaft funktioniert, wollen und müssen alle Akteur:innen innerhalb dieser Wertschöpfungskette von ihren Beiträgen zu diesem System gut leben können. Die Nachfrage beruht auf dem gesellschaftlichen Wunsch nach qualitativ hochwertigen, gesunden und gleichzeitig leistbaren Gütern und Dienstleistungen. Dieser gesellschaftliche Wunsch vermittelt sich durch Entscheidungen einzelner Konsument:innen, aber auch über gesellschaftliche Willensbildung, die Werte und Normen letztlich in konkrete Politik umsetzt. Um dies zu erreichen, muss Wirtschaft auch grundsätzlich neu gedacht werden. Dafür stehen in einem pluralen Wirtschaftsverständnis verschiedene wissenschaftlich fundierte Ansätze zur Verfügung.
Dazu gehören:
- Wellbeing Economy: Wellbeing“ ist der neue Leitbegriff von Ländern wie Neuseeland, Finnland, Schottland oder Wales. Wenn Wachstum nicht mehr das primäre Ziel ist, weil immer deutlicher wird, dass die Einzelnen von einem steigenden Bruttoinlandsprodukts schon lange nicht mehr profitieren, rücken Kennzahlen „beyond GDP“ in den Fokus. Treibhausgase, Ressourcenverbrauch, aber auch Kennzahlen der Verteilung und der Armut treten damit in den Vordergrund, etwa über „Universal Basic Services“ und eine deutlich progressivere Besteuerung zugunsten einer allgemeinen „Grunddividende“, wie sie der Club of Rome in seinem Bericht Earth4All fordert.
- Doughnut Economies: Kate Raworth hat uns mit ihrem Bild eines „Doughnut“ gezeigt, worum es in Wirtschaft und Gesellschaft letztlich geht: die gleichzeitige Einhaltung der planetaren Grenzen und sozialer Mindestbedingungen für ein gutes Leben aller – jetzt und in Zukunft. Innerhalb dieser Leitplanken sollten sich Wirtschaft und Gesellschaft frei entfalten können. Ob wirtschaftliches Wachstum im Sinne endloser Vergrößerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) damit vereinbar ist, wird immer öfter bezweifelt. De fakto ist zumindest in Österreich das BIP pro Kopf (preisbereinigt) seit 2008 praktisch kaum mehr gewachsen. Weltweit gehen die Wachstumsraten langfristig zurück.
- Alltagsökonomie: Um die Sicherung unser Lebensqualität zu garantieren, braucht es neben privaten Gütern auch öffentliche Infrastrukturen, Daseinsvorsorge und Nahversorgung. Sie sind jener Teil der Wirtschaft, der ein gesundes, sicheres und zivilisiertes Leben ohne soziale und ökonomische Unsicherheiten ermöglicht – gerade auch in krisenhaften Zeiten. Das beeinflusst die Klima- und Biodiversitätskrise ebenso wie die zunehmenden sozialen Ungleichheiten und zunehmende Polarisierung unserer Gesellschaften. In diesem Sinne kann die Alltagsökonomie nicht einfach Marktlogiken überlassen werden. Es braucht eine umfassende öffentliche Planung, Bereitstellung, Finanzierung und Regulierung zur Sicherstellung des guten Lebens für alle.
- Feministische Ökonomie: Die feministische Ökonomie beschäftigt sich vor allem mit der Tatsache, dass Wirtschaft und Gesellschaft auf unbezahlter Sorge-/Care-Arbeit und einem kostenlosen Zugriff auf die Natur basiert. Sie nimmt daher für sich in Anspruch, alle „unterprivilegierten“ Gruppen und deren Interessen zu vertreten.
Erfolge messen und kontinuierliches Monitoring
Wie können wir wissen, ob wir den gesteckten Zielen auch tatsächlich näher kommen und uns nicht mit Alibi-Aktionen in die eigene Tasche lügen? Dazu brauchen wir Indikatoren, also ein Monitoring-System, das die wesentlichen Kategorien wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Entwicklungen im Auge behält; sowie innovative Institutionen wie einen Klimarechnungshof und Bürger:innenräte zur Weiterentwicklung einer entsprechenden Politik.
Ein aktiver Staat setzt notwendige Rahmenbedingungen
Für die praktische Politik bedeuten all diese Überlegungen, dass staatliche Institutionen ebenso wie die Sozialpartner:innen Rahmenbedingungen für die Aktivitäten der privaten Akteur:innen (Unternehmen und Haushalte) setzen können – und müssen. Dazu gehören Preissetzungen ebenso wie Ge- und Verbote sowie die Unterstützung einer entsprechenden Wissensvermittlung in allen Bevölkerungsgruppen.
Ergebnisse einer Umfrage
Von 1000 Österreicher:innen zwischen 18 und 75 Jahren stimmten in einer Online-Umfrage des Marktforschungsunternehmens Ipsos mehr als zwei Drittel folgenden Aussagen zu:
69%
67%
Fazit :
Die Österreicherinnen und Österreicher wünschen sich ein gutes Leben mehr als Wirtschaftswachstum.